Auswirkungen des Ruhestands auf psychische Gesundheit

Wird man zufriedener und gesünder, wenn man in den Ruhestand tritt? Oder könnte der Ruhestand im Gegenteil sogar zu Depressionen führen? Eine aktuelle Studie untersucht mithilfe von „50+ in Europa“-Daten, wie sich die Verrentung auf die psychische Gesundheit auswirkt.

Forscherinnen und Forscher sind sich nicht einig: Auf der einen Seite gibt es diejenigen, die vermuten, dass sich das Eintreten in den Ruhestand positiv auf die psychische Gesundheit auswirkt und Personen im Ruhestand zufriedener und glücklicher werden. Andere Forscher wiederum meinen, dass der Ruhestand die psychische Gesundheit nicht verbessert – oder gar verschlechtert und zu Depressionen führen kann.

Doch wer hat nun Recht? In einer auf „50+ in Europa“-Daten basierten Studie haben italienische Forscher diese Frage näher untersucht. Dabei wurden auch die Umstände der Arbeitenden vor dem Eintritt in den Ruhestand berücksichtigt. Speziell wurden die Auswirkungen der europäischen Wirtschaftskrise auf den Übergang in den Ruhestand untersucht. Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass der Ruhestand tatsächlich zu einer verbesserten psychischen Gesundheit führen kann. Dies gilt allerdings nicht für alle gleichermaßen.

Industriearbeiter profitieren von Ruhestand am meisten

Vor der Wirtschaftskrise hatte die Versetzung in den Ruhestand keine klare Auswirkung auf die psychische Gesundheit. Arbeitende, die während der Wirtschaftskrise in den Ruhestand gingen, zeigten allerdings eine deutliche Verbesserung der psychischen Gesundheit – und zwar vor allem männliche Industriearbeiter. Diese waren verstärkt von einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen durch die Wirtschaftskrise betroffen. Für Industriearbeiter bedeutete der Eintritt in den Ruhestand somit eine Entlastung, durch den Wegfall von Stressfaktoren im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz. Dass sich diese Auswirkung nur bei Männern beobachten lässt, liegt daran, dass Frauen seltener in Industriejobs tätig sind: 80% der arbeitstätigen Frauen sind im Büro tätig.

Fazit: Erhöhung des Renteneintrittsalters muss an individuelle Lebensumstände angepasst werden

Die Studie trägt zur Klärung der Frage bei, ob das Renteneintrittsalter erhöht werden soll. Denn die Ergebnisse machen deutlich, dass sich die psychische Gesundheit nach dem Ruhestand verbessern kann und ein noch späteres Renteneintrittsalter deshalb nicht uneingeschränkt empfehlenswert ist. Die Ergebnisse machen aber auch deutlich, dass der Renteneintritt nicht zwingend zu einer Verbesserung der psychischen Gesundheit führt. Daher müssen individuelle Umstände vor dem Eintritt in den Ruhestand einbezogen werden.


Studie von Michele Belloni, Elena Meschi and Giacomo Pasini (2016): The effect on mental health of retiring during the economic crisis in Health Economics 25(2): 126-140. DOI: 10.1002/hec.3377